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Kirche

Alte Kirche – stets modern: die Evangelisch-lutherische St. Johanniskirche Göttingen

Die Rats- und Marktkirche St. Johannis hinter dem Alten Rathaus ist ca. 750 Jahre alt. Der Innenraum der Kirche wurde im Laufe der Jahrhunderte mehrfach modernisiert. Die heutige Ausstattung ist das Ergebnis der Restaurierungen 2014-2021, doch zahlreiche Objekte bewahren die Erinnerung an die wechselvolle Geschichte dieser Kirche.

Wenn Sie nach vorn schauen

Die Farbglasfenster im Altarraum wurden 1896 von der Glasmalwerkstatt Henning & Andres aus Hannover geschaffen. Sie zeigen Szenen aus dem Leben Jesu: seine Taufe durch Johannes den Täufer, die Kreuzigung und die Auferstehung. Oben im Mittelfenster ist der Namenspatron der Kirche Johannes der Täufer zu sehen. Den Altartisch, die Kanzel und das Lesepult aus Ahornholz haben Agnes Gensichen und Markus Zink (Leipzig) 2020 geschaffen.

Wenn Sie nach vorn gehen

An der Nordwand des Altarraums ist eine Sakramentsnische aus dem 14. Jahrhundert erhalten. Sie erinnert daran, dass diese Kirche im Mittelalter katholisch war. Hier wurden die geweihten Hostien aufbewahrt. Die kleine Orgel im Altarraum wurde um 1940 vom Göttinger Orgelbauer Paul Ott geschaffen.

An der Südwand des Chorraumes hängt ein großes Gemälde mit einer Kreuzigungsszene von 1636, geschaffen von Ludolph Büsinck, einem weitgereisten Künstler (Niederlande und Paris) aus Hannoversch Münden. Das Gemälde gehörte als Mitteltafel zu einem dreiflügeligen Barockaltar (links Gethsemane, rechts Kreuzabnahme und Grablegung).

Wenn Sie nach hinten schauen

Im westlichen Mittelschiff befindet sich die große Orgel. Sie wurde 1954 (Hauptwerk, Ober- und Unterwerk, Pedal) und 1960 (Rückpositiv) durch die Göttinger Orgelbauwerkstatt Paul Ott erbaut. Im Jahr 2000 wurde das Instrument durch die Werkstatt Rudolf Janke restauriert und erweitert. Sie hat 61 Register, vier Manuale und Pedal und 4.335 Pfeifen. Sie zählt mit ihrer farbigen Disposition zu den klanglich interessantesten Orgeln Südnieder-sachsens.

Wenn Sie in die Turmvorhalle schauen, entdecken Sie dort in einem weiteren Farbglasfenster von 1850 ein weiteres Mal den Namenspatron der Kirche Johannes den Täufer, links und rechts die Apostel Paulus und Petrus.

Wenn Sie nach oben, nach links und rechts schauen

Im Inneren der Kirche gehören zur ursprünglichen Bausubstanz die Schlusssteine im Gewölbe des Kirchenschiffs. Sie zeigen verschiedene Heiligenfiguren. In der hintersten Reihe können Sie über der Orgelempore den mantelteilenden St. Martin und links und rechts davon den Apostel Petrus (mit großem Schlüssel) und den Heiligen Laurentius entdecken.

1926 wurde über dem Südportal, durch das Sie die Kirche betreten haben, das Kriegsgefallenenfenster des Hannoveraner Glasmalers Franz Lauterbach geschaffen. Es erinnert an die im Ersten Weltkrieg getöteten Mitglieder der Gemeinde (unten eine Göttinger Stadtansicht mit Johanniskirche). Anders als andere Gefallenendenkmäler konzentriert sich das detailreiche Fenster auf die Trauer der Angehörigen und den Trost des segnenden Christus.

Das Fenster über dem gegenüberliegenden Nordportal und die übrigen Fenster im Kirchenschiff entstanden 2017-2020 nach Entwürfen des Glasmalers Günter Grohs (Wernigerode) in der Werkstatt Schneemelcher (Quedlinburg).

Die kunstvollen Säulenkapitelle und die Maskenkonsolen an den Seitenwänden gehören wie die Schlusssteine im Gewölbe zur originalen Ausstattung der Kirche. Sie sind von der Empore aus besser zu sehen.

Auf den Seitenemporen hängt eine umfangreiche Porträtsammlung von Geistlichen, die an St. Johannis gewirkt haben. Seit Beginn der Reformation (1530) in Göttingen wurden sie angefertigt und gesammelt. Das älteste Gemälde (Nordempore, erstes Bild oberhalb der Treppe) zeigt Stadtsuperintendent Theodor Fabricius. Er starb 1597 mit nur 37 Jahren während einer Pestepidemie in Göttingen. Geistliche sowie ihre Ehefrauen und Kinder wurden bis ins 18. Jahrhundert. im Altarraum der Kirche beigesetzt. Daran erinnert die Gedenktafel für Anna Barbara Münden am Ende der Nordempore. Die achtjährige Tochter des Johannis-Pastors Christian Münden starb 1724. Ihr „kleiner Körper wurde nicht weit von hier niedergelegt in der Reihe der Grabstätten“ vor dem Altar. 

Wenn Sie die Kirche verlassen haben

Wenn Sie die Kirche verlassen haben, drehen Sie sich doch noch einmal um zum Portal. An den drei Außenportalen können Sie die Baugeschichte der Johanniskirche im Übergang von der Romanik zur Gotik verfolgen.

Das Südportal, vor dem Sie stehen, ist hochgotisch und entstand um 1350.

Das Westportal unter den Kirchtürmen ist mit einem frühgotischen Spitzbogen ausgestattet und auf beiden Seiten mit je zwei romanischen Säulen mit Blattkapitellen verziert. Sie entstanden um 1250 und wurden um 1300 in das gotische Portal wiederverwendet.

Das Nordportal, entstanden um 1250, ist der älteste Bauteil der Johanniskirche und das einzige in Göttingen sichtbare romanische Detail. Wahrscheinlich stammt es vollständig aus einer romanischen Vorgängerkirche.

Die Kirchtürme wurden um 1350 vollendet. Sie sind 65 bzw. 70 m hoch. Im Nordturm befand sich der Wohnsitz des Turmwächters und seiner Familie. Der Raum wird heute als Kapelle genutzt. Auf dem Westwerk befindet sich zwischen Nord- und Südturm das Glockenhaus. Hier hängt die größte Göttinger Glocke aus dem Jahr 1828 mit einem Gewicht von 3.500 kg. Die älteste bis heute erhaltene Bronzeglocke im Südturm wurde 1389 gegossen.

Zahlen, Daten, Fakten

~ 1100       Erster romanischer Vorgängerbau?
zwischen 1216 und 1245 Zweiter, spätromanischer Vorgängerbau
1222          Dendrochronologisch datierter Balken im Dachwerk
1272          Erste urkundliche Erwähnung
~ 1300       Beginn des gotischen Neubaus
1348          Dachwerk des Langhauses und Stiftung einer Glocke
~ 1400       Vollendung des Nordturms
1529/30    Die Stadt Göttingen und alle ihre Kirchen werden evangelisch
1544-48    Die ersten „evangelischen“ Modernisierungen: Unter Superintendent Joachim Mörlin werden die 
                   mittelalterlichen Seitenaltäre und die Chorschranken entfernt
1569          Weißer Anstrich, Beseitigung der mittelalterlichen Innenausmalung
1636          Die zweite, barocke Modernisierung: Altar von Ludolph Büsinck
1791          Die dritte, frühklassizistische Modernisierung: Ausstattung mit Kanzelaltar und doppelten Emporen 
                   auf beiden Seiten, Absenkung des Altarraums (Sakristei hinter dem Kanzelaltar)
1896          Die vierte, neogotische Modernisierung durch Conrad Wilhelm Hase: Ausmalung, Öffnung des 
                   Altarraums, neuer Altar, Fenster von Henning & Andres
1931          Die fünfte Modernisierung: neue Farbgestaltung, Wände hell getüncht, architektonische Elemente in 
                   Rotsandstein gefasst
1954/60    Orgel von Paul Ott, erweitert 2000 von Rudolf Janke
1964/66    Die sechste Modernisierung im Stil der Moderne: Graue Ausmalung und Emporenverkleidung, 
                   Betonblock als Altar, Kruzifix und Kanzel von Heinz Heiber, Taufstein und Lesepult von Helmut Uhrig, 
                   Holzparkettfußboden im Kirchenschiff.
2014-21     Die siebte Modernisierung: Ausmalung des Altarraums und des Kirchenschiffs nach 
                   Ursprungsbefunden. Altartisch, Kanzel und Lesepult von Agnes Gensichen und Markus Zink.

Diakonin i. R. Bettina Lattke | Pastor i. R. Harald Storz
Quelle: be
Quelle: be
Blick zum neuen Fenster über dem Nordportal von Günter Grohs