Leiter der Göttinger Stadtkantorei von 1971 bis 1999
von Pastor i.R. Rudolf Schmidt
Am 19. November 2017 ist Hermann Amlung nach längerer Krankheit gestorben. 1971 kam er als Nachfolger Ludwig Doormanns nach Göttingen und hat dann 28 Jahre als Kantor an St. Johannis und Leiter der Göttinger Stadtkantorei segens- und erfolgreich gewirkt.
Mit dem Ausscheiden von Ludwig Doormann aus der Leitung der Göttinger Stadtkantorei ging auch in Göttingen im Blick auf die Kirchenmusik eine musikalische Epoche zu Ende. Die Gründung der Göttinger Stadtkantorei nach einer Singwoche mit Adolf Stier im Jahre 1930 zeigt den engen Zusammenhang zwischen der Singbewegung und den Anfängen der Kantorei.
Von diesen Anfängen war die Stadtkantorei auch in den ersten 40 Jahren geprägt. Schwerpunkt war die frühe geistliche Musik aus der Zeit der Reformation bis zu Schütz, danach natürlich ein großer Schwerpunkt bei Johann Sebastian Bach. Ludwig Doormann war ja als Straube-Schüler nach Göttingen geholt worden. Ein dritter Schwerpunkt war die neue evangelische Kirchenmusik, für die vor allem Ernst Pepping stand, von dem viele Werke durch die Göttinger Stadtkantorei unter Ludwig Doormann uraufgeführt oder für Westdeutschland erstaufgeführt worden waren. Auch die „Kantate in St. Marien“, als dem liturgischen Ort vieler Aufführungen der Göttinger Stadtkantorei, gehört in diesen Zusammenhang der Musik im Gottesdienst.
Doormann hatte aber kaum etwas von der geistlichen Musik zwischen 1759 und 1920 aufgeführt, mit Ausnahme des Requiems und einiger Motetten von Johannes Brahms. Mit seinem Chor hatte Doormann jedenfalls keine Werke von Mendelssohn oder Reger aufgeführt, von den klassischen Wiener Meistern auch nur Mozarts Requiem, nichts von Haydn, Schubert oder Beethoven.
Das änderte sich total mit dem zweiten Leiter der Göttinger Stadtkantorei, Hermann Amlung. Die Kantorei hatte sich nach seiner Vorstellung vor dem Chor und der Gemeinde mit großer Mehrheit für ihn entschieden. Herrmann Amlung hatte Kirchenmusik bei Gerhard Schwarz in Düsseldorf studiert und schon erste Stationen als Kantor in Düsseldorf und Saarbrücken hinter sich, als er sich 1971 um die Nachfolge Ludwig Doormanns als Kirchenmusiker an St. Johannis und Leiter der Göttinger Stadtkantorei bewarb.
Es war keine leichte Aufgabe für ihn, sich als Nachfolger von Ludwig Doormann zu profilieren, aber er tat es mit Bravour. Schon die erste große Oratorienaufführung im Juni 1971 war ein Fanal. Mendelssohns „Elias“, seit Generationen nicht mehr in Göttingen aufgeführt, wurde zu einem fulminanten Erfolg und machte unüberhörbar deutlich, dass eine neue Zeit für die Kirchenmusik in Göttingen angebrochen war.
Mit der „Motette in St. Johannis“ jeweils am ersten Sonnabend im Monat um 18 Uhr an Stelle der jahrzehntelang in St. Marien durchgeführten „Kantate in St. Marien“ begann er mit der Stadtkantorei eine wichtige Reihe kirchenmusikalischer Veranstaltungen. Hier wurde nun die ganze Bandbreite der Kirchenmusik, und vor allem auch die der Klassik und des 19. Jahrhunderts, aber auch gewichtiger Werke der Moderne, vorgestellt. So schon im November 1971 die große Motette von Max Reger: „O Tod, wie bitter bist du“, verbunden mit der Psalmenmotette von de la Motte, und einer Bachmotette. Dazu kamen die regelmäßigen Oratorienaufführungen, in denen Amlung den Göttinger Zuhörern immer wieder neue große Werke, wie etwa Schmidts „Das Buch mit sieben Siegeln“, Brittens „War Requiem“, oder Elgars Oratorien „The Apostels“ und „The Kingdom“ vorstellte.
Dazwischen wurden natürlich auch immer wieder die wichtigen Standardwerke, wie das Weihnachtsoratorium und die Passionen von Bach, Brahms „Requiem“, Händels „Messias“ oder Verdis „Requiem“, aufgeführt. Aber er stellte diese Oratorien doch in einen weit größeren Beziehungsrahmen, als es Göttingen bisher gewohnt war.
Ein gewichtiger Höhepunkt der Amtszeit Hermann Amlungs war das 50-jährige Jubiläum der Göttinger Stadtkantorei im Jahre 1980. In diesem Rahmen wurden die „Missa Solemnis“ von Beethoven, Verdis „Requiem“, Bachs „h-Moll-Messe“, Max Regers „Vater-unser“, die „Deutsche Motette“ von Richard Strauss und an einem besonderen Abend Strawinskys „Psalmensinfonie“, das „Gloria“ von Poulenc, Wagners „Liebesmahl der Apostel“ und das „Triumphlied“ von Brahms aufgeführt.
Amlung scheute sich auch nicht, völlig unbekannte Werke aufzuführen, so 1985 zum Lutherjahr das Oratorium „Luther in Worms“ von Ludwig Meinardus. Ein ganz besonderes Ereignis war die Aufführung von Benjamin Brittens „War Requiem“, das zusammen mit der Andreas-Kantorei Hildesheim sowohl in Göttingen wie in Hildesheim aufgeführt wurde. Ein wichtiges Dokument seiner Chorarbeit ist die CD-Aufnahme des „Passionsbericht des Matthäus“ von Ernst Pepping aus dem Jahre 1990.
Gelegentlich lud Hermann Amlung auch zu besonders geprägten Orgelkonzerten nach St. Johannis ein, aber sein Schwerpunkt war ganz eindeutig die Arbeit mit der Stadtkantorei. Der von ihm gewünschte und forcierte Umbau der Ott-Orgel wurde allerdings erst zum Ende seiner Tätigkeit an St. Johannis begonnen. Immer wieder unternahm er mit der Kantorei auch Reisen ins Ausland, so nach Pau in Frankreich und nach Polen, aber besonders häufig nach Cheltenham, unserer englischen Partnerstadt, und er begründete so eine lebendige Freundschaft zwischen dem „Bach-Choir“ in Cheltenham und der Göttinger Stadtkantorei, die durch regelmäßige wechselseitige Besuche vertieft wurde. Zum Abschluss seiner Tätigkeit an St. Johannis lud Amlung im Januar 1999 zu einem Kantatenabend ein, an dem er mit der Kantorei beziehungsvoll ausgewählte Bachkantaten aufführte.
von Pastor i.R. Rudolf Schmidt
Am 19. November 2017 ist Hermann Amlung nach längerer Krankheit gestorben. 1971 kam er als Nachfolger Ludwig Doormanns nach Göttingen und hat dann 28 Jahre als Kantor an St. Johannis und Leiter der Göttinger Stadtkantorei segens- und erfolgreich gewirkt.
Mit dem Ausscheiden von Ludwig Doormann aus der Leitung der Göttinger Stadtkantorei ging auch in Göttingen im Blick auf die Kirchenmusik eine musikalische Epoche zu Ende. Die Gründung der Göttinger Stadtkantorei nach einer Singwoche mit Adolf Stier im Jahre 1930 zeigt den engen Zusammenhang zwischen der Singbewegung und den Anfängen der Kantorei.
Von diesen Anfängen war die Stadtkantorei auch in den ersten 40 Jahren geprägt. Schwerpunkt war die frühe geistliche Musik aus der Zeit der Reformation bis zu Schütz, danach natürlich ein großer Schwerpunkt bei Johann Sebastian Bach. Ludwig Doormann war ja als Straube-Schüler nach Göttingen geholt worden. Ein dritter Schwerpunkt war die neue evangelische Kirchenmusik, für die vor allem Ernst Pepping stand, von dem viele Werke durch die Göttinger Stadtkantorei unter Ludwig Doormann uraufgeführt oder für Westdeutschland erstaufgeführt worden waren. Auch die „Kantate in St. Marien“, als dem liturgischen Ort vieler Aufführungen der Göttinger Stadtkantorei, gehört in diesen Zusammenhang der Musik im Gottesdienst.
Doormann hatte aber kaum etwas von der geistlichen Musik zwischen 1759 und 1920 aufgeführt, mit Ausnahme des Requiems und einiger Motetten von Johannes Brahms. Mit seinem Chor hatte Doormann jedenfalls keine Werke von Mendelssohn oder Reger aufgeführt, von den klassischen Wiener Meistern auch nur Mozarts Requiem, nichts von Haydn, Schubert oder Beethoven.
Das änderte sich total mit dem zweiten Leiter der Göttinger Stadtkantorei, Hermann Amlung. Die Kantorei hatte sich nach seiner Vorstellung vor dem Chor und der Gemeinde mit großer Mehrheit für ihn entschieden. Herrmann Amlung hatte Kirchenmusik bei Gerhard Schwarz in Düsseldorf studiert und schon erste Stationen als Kantor in Düsseldorf und Saarbrücken hinter sich, als er sich 1971 um die Nachfolge Ludwig Doormanns als Kirchenmusiker an St. Johannis und Leiter der Göttinger Stadtkantorei bewarb.
Es war keine leichte Aufgabe für ihn, sich als Nachfolger von Ludwig Doormann zu profilieren, aber er tat es mit Bravour. Schon die erste große Oratorienaufführung im Juni 1971 war ein Fanal. Mendelssohns „Elias“, seit Generationen nicht mehr in Göttingen aufgeführt, wurde zu einem fulminanten Erfolg und machte unüberhörbar deutlich, dass eine neue Zeit für die Kirchenmusik in Göttingen angebrochen war.
Mit der „Motette in St. Johannis“ jeweils am ersten Sonnabend im Monat um 18 Uhr an Stelle der jahrzehntelang in St. Marien durchgeführten „Kantate in St. Marien“ begann er mit der Stadtkantorei eine wichtige Reihe kirchenmusikalischer Veranstaltungen. Hier wurde nun die ganze Bandbreite der Kirchenmusik, und vor allem auch die der Klassik und des 19. Jahrhunderts, aber auch gewichtiger Werke der Moderne, vorgestellt. So schon im November 1971 die große Motette von Max Reger: „O Tod, wie bitter bist du“, verbunden mit der Psalmenmotette von de la Motte, und einer Bachmotette. Dazu kamen die regelmäßigen Oratorienaufführungen, in denen Amlung den Göttinger Zuhörern immer wieder neue große Werke, wie etwa Schmidts „Das Buch mit sieben Siegeln“, Brittens „War Requiem“, oder Elgars Oratorien „The Apostels“ und „The Kingdom“ vorstellte.
Dazwischen wurden natürlich auch immer wieder die wichtigen Standardwerke, wie das Weihnachtsoratorium und die Passionen von Bach, Brahms „Requiem“, Händels „Messias“ oder Verdis „Requiem“, aufgeführt. Aber er stellte diese Oratorien doch in einen weit größeren Beziehungsrahmen, als es Göttingen bisher gewohnt war.
Ein gewichtiger Höhepunkt der Amtszeit Hermann Amlungs war das 50-jährige Jubiläum der Göttinger Stadtkantorei im Jahre 1980. In diesem Rahmen wurden die „Missa Solemnis“ von Beethoven, Verdis „Requiem“, Bachs „h-Moll-Messe“, Max Regers „Vater-unser“, die „Deutsche Motette“ von Richard Strauss und an einem besonderen Abend Strawinskys „Psalmensinfonie“, das „Gloria“ von Poulenc, Wagners „Liebesmahl der Apostel“ und das „Triumphlied“ von Brahms aufgeführt.
Amlung scheute sich auch nicht, völlig unbekannte Werke aufzuführen, so 1985 zum Lutherjahr das Oratorium „Luther in Worms“ von Ludwig Meinardus. Ein ganz besonderes Ereignis war die Aufführung von Benjamin Brittens „War Requiem“, das zusammen mit der Andreas-Kantorei Hildesheim sowohl in Göttingen wie in Hildesheim aufgeführt wurde. Ein wichtiges Dokument seiner Chorarbeit ist die CD-Aufnahme des „Passionsbericht des Matthäus“ von Ernst Pepping aus dem Jahre 1990.
Gelegentlich lud Hermann Amlung auch zu besonders geprägten Orgelkonzerten nach St. Johannis ein, aber sein Schwerpunkt war ganz eindeutig die Arbeit mit der Stadtkantorei. Der von ihm gewünschte und forcierte Umbau der Ott-Orgel wurde allerdings erst zum Ende seiner Tätigkeit an St. Johannis begonnen. Immer wieder unternahm er mit der Kantorei auch Reisen ins Ausland, so nach Pau in Frankreich und nach Polen, aber besonders häufig nach Cheltenham, unserer englischen Partnerstadt, und er begründete so eine lebendige Freundschaft zwischen dem „Bach-Choir“ in Cheltenham und der Göttinger Stadtkantorei, die durch regelmäßige wechselseitige Besuche vertieft wurde. Zum Abschluss seiner Tätigkeit an St. Johannis lud Amlung im Januar 1999 zu einem Kantatenabend ein, an dem er mit der Kantorei beziehungsvoll ausgewählte Bachkantaten aufführte.